Addressable TV

Was ist Addressable TV, was bedeuten „Switch-In“ und „Dynamic Ad Insertion“? Welche Rolle spielt adressierbare Werbung heute und zukünftig – und wo steht das Thema in puncto Standardisierung? Diese und weitere Fragen lotete unter dem Motto “Gut gezielt ist gut getroffen – Addressable TV” das Panel zu Addressable TV der Deutsche TV-Plattform im Rahmen der Medientage München 2020 aus.

Neues Potenzial für Werbekunden

Stefanie Jäckel, General Director Strategy & Development der Ad Alliance, eröffnete das Panel mit dem Impulsvortrag „Wo stehen wir auf dem Weg zur optimalen Orchestrierung von Massenreichweiten und gezielter Ansprache?“. Die Branche beschäftige sich schon seit ein paar Jahren mit den Chancen und Herausforderungen von Addressable TV (ATV), allerdings seien die Sender zunächst eher skeptisch gewesen, ob ATV strategisch gesehen überhaupt eine gute Idee sei. Mit Fernsehen als Werbemedium Nummer eins lässt sich schnell und breit Reichweite aufbauen und ATV dürfe nicht dazu führen, dass Werbekunden damit einfach Kontakte einsparen oder ihre Budgets umschichten. Dies sei aber nicht der Fall, da ATV die Brücke zwischen großen Reichweiten im klassischen Fernsehen und Online-Werbung und deren Buchungslogik schlägt. Kunden profitieren laut Stefanie Jäckel von beiden Welten: Wer schon klassische Werbung im linearen Fernsehen betreibt, wird diese Reichweite nicht abschneiden, kann aber zusätzlich von den digitalen Möglichkeiten profitieren, etwa durch die Verlängerung von Werbespots oder der Schaffung inkrementeller Reichweite durch ATV. Umgekehrt könnten Kunden, die bisher auf digitale Kampagnen setzen, mehr Reichweite durch das Massenmedium TV erzielen.

ATV in der Praxis

Für die Betrachtung, wie gut ATV bereits in der Praxis funktioniert, müsse man nach Werbeformen unterscheiden. Bei einem „Switch-In“ sehen Zuschauer – mit einem HbbTV-fähigem und an das Internet angeschlossenen Fernseher – beim Umschalten auf ein anderes Programm eine kurze Werbeeinblendung, die sich schon heute in hoher Qualität bei geringerem Datenvolumen problemlos ausspielen lässt. „Switch-Ins“ seinen bereits auf rund 18 Millionen TV-Geräten in Deutschland verfügbar, und damit gut zu clustern. Das Targeting erfolge etwa nach Sehverhalten oder Interessen des Zuschauers, jedoch nicht personenbezogen, sondern immer auf Gerätebasis.
An der Königsdisziplin „Dynamic Ad Insertion“ (DAI) wird hingegen noch gezimmert. Mit DAI lassen sich einzelne Spots in den vorhandenen Werbeblöcken dynamisch austauschen und diese so auf Zuschauer und ihre Interessen zuschneiden. Damit das technisch reibungslos funktioniert, muss aber noch der HbbTV-Standard für Targeted Advertising (TA) implementiert werden. Das wird ab 2021 mit der Einführung von HbbTV 2.0.x erfolgen. Ein Standard allein macht aber noch keinen Werbesommer. Für die Einführung von HbbTV-TA seien Allianzen auf europäischer Ebene, etwa mit Herstellern und Infrastrukturbetreibern notwendig, so Stefanie Jäckel. Sie rechnet damit, dass 2025 rund 30 bis 40 Prozent der TV-Geräte in den Fernseh-Haushalten dynamisch Werbespots austauschen können.

Keep ATV simple!

Neben Standards und Industriepartnerschaften sei es für den Erfolg von ATV insgesamt entscheidend, die Wirkung gegenüber Werbekunden zu belegen, die erlaubte Gesamtwerbezeit pro Stunde optimal zwischen klassischer Werbung und ATV zu orchestrieren und vor allem: Keep ATV simple! Das gelte für die Produktdefinition, KPIs und deren Messung sowie die Buchungslogiken für Werbekunden. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt werden, sieht Stefanie Jäckel viel Potenzial für ATV, um in den nächsten Jahren den Markt spürbar zu bewegen.

Annäherung von Rundfunk und Online-Welt

Im anschließenden Talk unterstrich auch Dr. Oliver Friedrich, Global Partnerships, Broadcast & Entertainment DACH für Google, die Relevanz der Standardisierung. Nicht umsonst engagiere sich Google seit diesem Jahr bei DVB und der HbbTV-Organisation. Bei der Verbreitung von audiovisuellen Inhalten gehe der Trend eindeutig in Richtung IP und deswegen sei es wichtig, dass DVB- und HbbTV-Standards dieser Entwicklung Rechnung tragen. Der klassische Rundfunk müsste sich auf die digitale Werbewelt technologisch zubewegen, indem man bewährtes aus der Online/App-Welt in das HbbTV-Ökosystem einfließen lässt und in den Standard integriert. Als wichtiges Element wies er darauf hin, dass Cookies die in den HbbTV-Standards noch eine zentrale Rolle spielen, derzeit schon in vielen Bereichen technologisch abgelöst werden. Hierzu gibt es aus Sicht von Google eine Antwort: einen „Unique Identifier“ der sowohl für Rundfunk als auch IP eingesetzt werden könne. Dieser Prozess habe begonnen, allerdings brauche die Standardisierung und eine darauffolgende Markteinführung entsprechender Geräte relativ viel Zeit.

Die Deutsche TV-Plattform widmet sich dem Thema Addressable TV im Rahmen der AG Smart Media. Die dort angesiedelte Task Force „Glossar ATV“ arbeitet derzeit an einem Glossar zur Einordnung und Abgrenzung der Begrifflichkeiten rund um das Thema Addressable TV.