Nachhaltigkeit gewinnt auch in der Medienbranche zunehmend an Gewicht, ist allerdings keine leichte Aufgabe: Es werden immer mehr Inhalte produziert, der Video-Traffic über Broadcast-Infrastrukturen, IP und mobile Datenautobahnen nimmt weltweit zu – und damit tendenziell auch der Energieverbrauch und die Umweltbelastung. Neue, zusätzliche Verbreitungswege und Qualitätsstufen – wie etwa 5G und UHD-HDR – lösen bestehende Technologien und Verbreitungswege nicht ab, sondern kommen zunächst On-Top hinzu. Und parallel zur Distribution nimmt auch die Nutzung auf verschiedensten Endgeräten zu, vom Smartphone bis zum 88 Zoll-Fernseher.
Bei der 5. Ausgabe der Event-Serie Media Innovation Platform drehte sich deshalb unter dem Motto “Going Green” alles um Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Wir beleuchteten die Möglichkeiten unserer Branche, entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Produktion, über die Distribution bis hin zum Empfang von audiovisuellen Medien – einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten, etwa durch Reduktion des CO2-Ausstoßes, mehr Energieeffizienz, Müllvermeidung und Recycling.
Andre Prahl (RTL Deutschland) Vorstandsvorsitzender der Deutschen TV-Plattform
In ihrem Impulsvortrag unterstrich Petra Sueptitz, Director Marketing & Consumer Intelligence, GfK SE, dass Nachhaltigkeit als Megatrend fest in den Werten der Deutschen verankert ist: zwei Drittel der Deutschen erwarten von Unternehmen, dass sie nachhaltig handeln, der Schutz der Umwelt liegt auf Platz 10 von 57 persönlichen Werten, die die jedes Jahr im GfK Consumer Life Studie misst.
Die Klimakrise und die Bedeutung von Nachhaltigkeit endet nicht mit der Inflation. Vor allem krisenresistente Verbraucher, denen es finanziell gut geht und die sich nur wenige Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen, achten auf Nachhaltigkeit und werden das trotz der derzeit steigenden Preise weiterhin tun. Denn der Schutz der Umwelt gehört zu den wichtigsten Werten der Konsumenten und diese Werte werfen die Menschen nicht einfach über Bord. Konsumenten erwarten von Unternehmen, nachhaltig zu handeln. Hersteller und Händler sollten sich weiterhin umweltfreundlich aufstellen, um langfristig am Markt erfolgreich zu bleiben. Genaue und zuverlässige Informationen sind wichtiger denn je. Behauptungen und Zertifizierungen werden kritischer und genauer geprüft als je zuvor.
Marie-Fee Taube,
Director Sustainability / Corporate Strategy & Development, RTL Deutschland
Michael Becker,
Leitung Abteilung Szenische Herstellung Auftragsproduktionen & Nachhaltigkeit, SWR
Jochen Siegle,
Managing Partner, momentifilm
„Nachhaltigkeit ist das Handlungsprinzip der aktuellen Zeit“, sagte Marie-Fee Taube, Director Sustainability / Corporate Strategy & Development, RTL Deutschland, in ihrem Vortrag zur Nachhaltigkeit bei der Content-Produktion. „Für Klima- und Umweltschutz stellen wir uns zwei Fragen: wie können in der Wertschöpfungskette negative Auswirkungen reduziert und vermieden werden (Footprint) – und wie kann mit Medieninhalten in Form von Klimajournalismus und innovativen Formaten für grüne Themen sensibilisiert werden (Brainprint)?“
Die TV- und Film-Branche habe die Verantwortung gemeinsam erkannt und angenommen. Das zeige sich vor allem durch den Dialog im Arbeitskreis Green Shooting – einem Zusammenschluss deutscher Produzenten, Sender, Filmförderer und Verbände. Das gemeinsame Ziel: Produktionen so umwelt- und klimaverträglich wie möglich zu machen und CO2-Emissionen zu minimieren. Jüngster Meilenstein ist das Committment auf gemeinsame Ökologische Mindeststandards (ÖMS), welche bei Bestehen mit dem einheitlichen Label „green motion“ ausgezeichnet werden. Auf Basis gemeinsamer ökologischer Mindeststandards lassen sich schon heute in der Regel 50 Prozent Emissionen sparen. „Green Productions ist eine Gesamtaufgabe der Branche – nicht schlagartig, aber graduell. Wir streben mit Green Productions nach langfristiger Veränderung,“ so Taube.
Michael Becker,
Leitung Abteilung Szenische Herstellung Auftragsproduktionen & Nachhaltigkeit, SWR
Arbeitskreis Green Shooting
Der Zusammenschluss deutscher Produzenten, Sender, Filmförderer und Verbände verfolgt das Ziel, Produktionen auf Basis einheitlicher Mindeststandards so umwelt- und klimaverträglich wie möglich zu machen und CO2-Emissionen zu minimieren. Bei den ökologischen Mindeststandards gibt es 22 obligatorische „Muss-Vorgaben“. Damit eine Produktion mit dem Label green motion ausgezeichnet werden kann, müssen bei den im Inland realisierten Produktionsteilen mindestens 19 Muss-Vorgaben eingehalten werden. Bei Produktionen, bei denen mehr als 25 % der Gesamtherstellungskosten im Ausland anfallen, müssen zusätzlich auch bei den im Ausland hergestellten Produktionsteilen 19 von 22 Muss-Vorgaben eingehalten werden. Mehr Informationen: https://www.oekologische-mindeststandards-greenmotion.de/
Prof. Dr. Claudia Loebbecke,
Direktorin des Seminars für Medien- und Technologiemanagement, Universität zu Köln,
Peter Pogrzeba,
T-Labs, Deutsche Telekom
Michael Pausch,
Leitung Rundfunkverbreitung und Frequenzmanagement, Bayerischer Rundfunk
Holger Kuntz,
Industry Engagement Marketing,
Akamai Technologies
Einsparpotenziale beim Videostreaming untersuchen gemeinsam T-Labs Deutsche Telekom und Fraunhofer FOKUS. Peter Pogrzeba (Deutsche Telekom) stellte die aktuellen Ergebnisse vor. Den tendenziell größten Anteil am Energieverbrauch in der Streamingkette hat das Verteilnetzwerk (25-35%). Auch die Auflösung des Signals spiele eine wichtige Rolle. Bei höherer Auflösung der Streams (UHD) steige der Stromverbrauch drastisch (bis zum Dreifachen gegenüber HD). „Insgesamt gibt es momentan aber keine detaillierten Daten zum Stromverbrauch für Videostreaming im Netzwerk“, so Pogrzeba. Die Berechnung des Energieverbrauchs für Videostreaming ist mit einer gewissen Variabilität und Unsicherheit behaftet, da die Datenbasis für den Energieverbrauch von OTT Video Streaming sehr vielfältig und unübersichtlich ist.
In der anschließenden Diskussionsrunde mit Michael Pausch, Leitung Rundfunkverbreitung und Frequenzmanagement, Bayerischer Rundfunk, und Holger Kuntz, Industry Engagement Marketing, Akamai Technologies, wurde herausgestellt, dass es bei der Bewertung von linearer oder non-linearer Verbreitung auf den Inhalt und den Use Case für den Kunden ankommt, der immer öfter Inhalte über Streaming nutzt. Live-Sendungen blieben auch in puncto Energieeffizienz eine Domäne des klassischen Rundfunks. Holger Kuntz betonte, dass derzeit durch den Einsatz eigener Wind- und Solarenergieformen, Software-Optimierungen und robustere Server jährliche Effizienzsteigerungen von rund 30 Prozent erzielt werden können.
Michael Pausch
Leitung Rundfunkverbreitung und Frequenzmanagement, Bayerischer Rundfunk
Christian Eckert,
Bereichsleiter Nachhaltigkeit & Umwelt , ZVEI e.V.
Alexander Goldberg,
Vorstand, Stiftung Elektro-Altgeräte Register
Volker Blume,
CEO, BLU TEC ONE
Christian Eckert, Bereichsleiter Nachhaltigkeit & Umwelt des ZVEI, dem Verband der Elektro- und Digitalindustrie, gab einen Ausblick auf die Regulierungsvorhaben auf europäischer und nationaler Ebene. Er stellte die Entwicklung heraus vom vormals linearen Ansatz der EU, der bei den jeweiligen Wertschöpfungsschritten wie Produktdesign, Verpackung und Entsorgung ansetzt, zu einem künftig zirkulären Ansatz. Besondere Bedeutung hat für die Geräteindustrie die „Ecodesign for Sustainable Products Regulation“. Dieses Maßnahmenpaket gibt wichtige Impulse für einem schonenderen Umgang mit Ressourcen, mehr Energieeffizienz und damit mehr Klimaschutz sowie Resilienz in Europa. „Die Vielzahl an Nachhaltigkeitsanforderungen darf allerdings nicht zulasten der Produktsicherheit oder -funktionalität gehen“, unterstrich Eckert. In der anschließenden Diskussionsrunde unterstrich Volker Blume, CEO, BLU TEC ONE, dass die Hersteller im Hinblick auf die Energieeffizienz von Fernsehgeräten in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt haben – die Geräte noch weiter zu optimieren sei schwierig. Eckert erläuterte, dass die Relevanz des Energielabels für TV-Geräte als Kaufkriterium sinke, da aufgrund neuer Berechnungsmodi nahezu alle Geräte in die gleiche Energieklasse eingestuft würden – was dem Verbraucher keine Orientierung biete.
Alexander Goldberg,
Vorstand, Stiftung Elektro-Altgeräte Register