Carine Lea Chardon (gfu)
Geschäftsführerin der Deutschen TV-Plattform
Vor 35 Jahren, genauer gesagt am 2. November 1990, treffen sich 19 Entscheider mit für damalige Verhältnisse ziemlich unterschiedlichen unternehmerischen Hintergründen im Konferenzzentrum des Flughafens Frankfurt. Während die Nation noch die kürzlich vollzogene Wiedervereinigung Deutschlands feiert, gründen Vertreter von Fernsehsendern, TV-Herstellern, IT-Industrie, staatlich geführten Unternehmen, Ministerien und Verbänden die Deutsche TV-Plattform e.V. Obwohl, eigentlich stimmt das so nicht ganz.
Gegründet wurde der Verein zunächst als „Nationale HDTV-Plattform Deutschland“, um die Markteinführung von HDTV nach dem im Rahmen des europäischen Forschungsprojektes Eureka 95 entwickelten 1250/50-Standard auf breiter Ebene zu koordinieren und zu unterstützen.
Das war ein ambitioniertes Unterfangen. 1990 gab es gerade mal ein paar Sender, die überwiegend analog über Antenne empfangen wurden. Kabelfernsehen hatte eine Reichweite von rund 30 Prozent und Astra 1A war erst 1 Jahr in Betrieb. In den damals rund 27 Millionen TV-Haushalten standen 40 Kilo schwere Röhren-Farbfernseher, mit 66 cm Bilddiagonale im
Bildformat 4:3. Schon bald nach Gründung der „HDTV-Plattform“ mehrten sich die Stimmen, dass der Schritt zu HDTV nur sinnvoll ist, wenn das Fernsehen generell zunächst von analoger auf digitale Übertragung überwechselt. Deswegen erfolgte 1993 die Umbenennung in „Deutsche Plattform für HDTV und neue Fernsehsysteme“ und die Vereinsarbeit konzentrierte sich fortan auf die Digitalisierung des Fernsehens, um im gemeinschaftlichen Zusammenspiel Innovationen auf digitaler Basis im TV-Markt zu etablieren.
Und da gab es viel zu tun! Es wurden Arbeitsgruppen gegründet, Strategien ausgeheckt, Kompendien verfasst und zahlreiche Events und Symposien durchgeführt. Und Szenarien, wie sich der Übergang von analog zu digital möglichst elegant vollziehen könnte. Von PALplus bis zu UltraHD-HDR hat die Deutsche TV-Plattform nunmehr 35 Jahre lang nicht nur alle damit verbundenen Prozesse und Entwicklungen begleitet, sondern in vielen Belangen auch intensiv unterstützt und vorangetrieben.
Wo im Einzelnen die „TV-Plattform“ in diesen Jahren aktiv war, was sie geleistet und beigetragen hat, finden Sie hier auf dieser Seite.
1990
1991
1993
1995
Am 2. November 1990 wird die „Nationale HDTV-Plattform Deutschland e.V.“ gegründet.
In der konstituierenden Versammlung am 02.11.1990 im Airport Business-Center Frankfurt unterzeichnen 19 Gründungsmitglieder die entsprechende Vereinbarung. Die Geschäftsstelle wird beim ZVEI eingerichtet.
Die ersten Arbeitsgruppen nehmen ihre Arbeit auf, unter anderem die AG Produktion, die AG Ausstrahlung und die AG Endgeräte.
Die TV-Plattform orientiert sich neu in Richtung voll-digitales Fernsehen und ändert dazu Satzung und Namen: Der Verein heißt jetzt „Deutsche Plattform für HDTV und neue Fernsehsysteme“.
Der europäische Binnenmarkt tritt in Kraft und ermöglicht u.a. den freien Warenverkehr unter den Mitgliedsstaaten.
Der Verein schmückt sich mit einem neuen Logo, das die Kurzversion des neuen Namens enthält und die perspektivische Ansicht eines (Röhren-) Fernsehgeräts symbolisiert.
1996
1998
2001
2003
Die DTVP gründet vier neue AGs rund um digitales TV und präsentiert dazu Produkte zum Anfassen auf einem Symposium in Berlin.
Die Arbeitsgruppe „Runder Tisch“ MHP wird gegründet. Damit sollen „die in Deutschland notwendigen Aktivitäten zur Einführung von MHP-Applikationen und entsprechender Endgeräte koordinierend unter einem Dach zusammengefasst“ werden.
In Brüssel gibt die Europäische Kommission die Potenzpille Viagra frei, in Washington nimmt die LewinskyAffäre ihren Lauf.
Die Arbeitsgruppe „DVB-T MarktEinführung“ nimmt ihre Arbeit auf. Sie soll ein Marketing-Szenario für die Einführung des digitalen terrestrischen Fernsehens in Deutschland entwickeln.
Die DTVP legt die Mindestanforderungen vor, die zur Grundlage der Erteilung des DVB-T-Logos als Qualitätssiegel dienen. Ab Anfang 2004 wird das Logo als offizielles „Qualitätszertifikat“ der DTVP eingesetzt.
Der Großraum Berlin wird als erste Region in Deutschland der bisherige analoge terrestrische Fernsehempfang auf DVB-T umgestellt.
2004
2005
2007
2009
Die Arbeitsgruppe „HDTV und Bildqualitätsverbesserung“ nimmt die Arbeit auf, die AG MultiMedia Mobil (M3) wird gegründet.
Startschuss für HDTV in Deutschland – und damit fortan viel Arbeit für die Deutsche TV-Plattform, die Markteinführung zu begleiten.
Premiere startet mit Fußball, Filmen und Dokus die HD-Ära.
Nachdem im Sommer 2006 bereits erste mobile TV-Dienste in Deutschland in Betrieb gegangen waren, diskutierte die Arbeitsgruppe MultiMedia Mobil (M3) die weiteren Perspektiven bei einem Workshop.
Die DTVP feilt an der Strategie und gründet 3 neue Arbeitsgruppen: AG Digitalisierung, AG Terrestrik und AG Hybride Endgeräte. Auch der Außenauftritt wird überarbeitet, u.a. mit dem bis heute gültigen Logo.
Die Mediengruppe RTL startet ins HD-Zeitalter. RTL und VOX gehen zunächst via Satellit bei HD+ hochauflösend auf Sendung.
Die Medienindustrie ist eine der innovationsfreudigsten Branchen. Da bleibt es nicht aus, dass sich so manche, zunächst vielversprechende Technologie am Ende als „Rohrkrepierer“ erweist. Oder vielleicht erst in den nächsten 30 Jahren ihren Durchbruch erlebt.
1999: Der neue Markt boomt, die Interneteuphorie kennt keine Grenzen. Das Fernsehen will sich nicht von der New Economy abhängen lassen und sucht nach Anschluss mit dem World Wide Web. Interaktives TV lautet das Gebot der Stunde und der Standard MHP soll den Traum wahr werden lassen. Die Deutsche TV-Plattform gründet die Arbeitsgruppe „Runder Tisch MHP“, um die Einführung von MHP-Applikationen auf Basis entsprechender Endgeräte zu koordinieren. Nicht nur an letzterem mangelt es in der Folge, auch die Geschäftsmodelle fehlen. Spätestens da steht MHP nicht mehr für Multimedia Home Platform, sondern für Most Hopeless Project – und verschwindet in der Versenkung. Aber der Nachfolger steht schon bald in den Startlöchern: HbbTV. Und das wird bekanntlich zur Erfolgsstory.
Ende 2009 tritt der James Cameron Film „Avatar Aufbruch nach Pandora“ eine 3D-Welle los. Was im Kino funktioniert, sollte sich auch ins Heimkino übertragen lassen. So die Theorie.
Die Fernseher werden 3D-fähig und ab 2010 beschäftigt sich auch die Deutsche TV-Plattform in den Arbeitsgruppen 3D-HD-TV und später Ultra HD mit (stereoskopischem) 3D-TV in Deutschland. Allerdings setzen die Zuschauer die klobigen 3D-Brillen bis heute nicht zuhause, sondern lieber im Kino auf. Damit hat 3D auch als Feature in TV-Geräten seine Zukunft leider verspielt – fürs Erste.
Noch größer als bei 3D sind die Brillen für Virtual Reality. Dafür ist ein gut gemachtes VR-Erlebnis auch um einige Dimensionen großartiger als ein 3D-Film. Funktioniert das auch im Fernsehen oder nur für das Gaming oder bei professionellen Anwendungen, etwa in der Medizin? Diese Frage stellt die Deutsche TV-Plattform 2016 im Rahmen der ersten Ausgabe der Media Innovation Platform. Erste Ansätze mit 360-Grad-Videos sind zu sehen. Komplett immersive, extra für das „Medium VR“ produzierte Formate, faszinieren alle Teilnehmer, kommen aber bis heute nicht über das Experimentierstadium hinaus.
2010
2012
2014
2015
Gründung der AG 3D-HD-TV, die sich weiter mit dem Roll-Out von HDTV und dazu mit der Einführung von stereoskopischem 3D-TV in Deutschland beschäftigen soll.
Anfang des Jahres starten ProSieben, Sat.1, Kabel eins, Das Erste und das ZDF mit HDTV – und ebnen dem hochauflösenden Fernsehen in Deutschland endgültig den Weg. Die Version 1.0 der HbbTV-Spezifikation wird bei ETSI veröffentlicht.
Gründung der AG Infrastruktur, AG Geräte und Vernetzung und AG Smart TV.
Ende der analogen TV-Ära, zumindest über Satellit. Ab Mai werden Sender über Astra 19,2˚ Ost nur noch digital verbreitet.
Gründung der AG Mobile Mediennutzung und der AG Ultra HD. Die DTVP zeigt eine erste Ultra HD-Sonderschau bei der IFA und kommt damit in die Tagesschau.
Die Revolution der Mediennutzungsgewohnheiten klopft an die Tür. Netflix startet in Deutschland.
Die ersten UHD-Programme starten, UHD ist auch das Top-Thema des IFAStands.
2016
2017
2019
2020
Gründung der AG Smart Media und AG Terrestrik & mobile Media. Die erste Ausgabe des neuen Event-Formats „Media Innovation Platform“ (kurz: MIP) dreht sich um das Thema „VR in der TV-Branche“.
In einigen Metropolregionen startet in Deutschland die Ausstrahlung mit DVB-T2 HD. Zu sehen sind dort u.a. in Full-HD die Fußball-Europameisterschaft 2016 und der 1.000 Tatort.
Die DTVP riskiert einen weiten Blick nach vorne und lotet im Rahmen der MIP#2 die „Mediennutzung in autonomen Fahrzeugen“ aus.
Gründung der AG Media over IP. Die Herstellung, Distribution sowie Empfang von ultrahochaufgelösten Bildern stehen im Zentrum der MIP#4 „UHD-HDR-Produktion“.
Geschafft! Mit dem Ende der analogen TV-Verbreitung im Kabel sind nach 29 Jahren intensiver Vereinsarbeit alle Rundfunkinfrastrukturen komplett digitalisiert.
Auch die DTVP zieht um in die digitale Domäne. Die 1. Ausgabe von „Connect! The Smart TV Award“ in Kooperation mit den Medientagen München wird trotzdem ein voller Erfolg.
2021
2022
2023
2024
Die TV-Plattform agiert auch in der digitalen Domäne erfolgreich weiter und veranstaltet das digitale ANGA COM Panel „Paid Content via Cloud, CDN und 5G“.
Die Arbeit der DTVP kehrt in die reale Welt zurück: beim Smart-TV-Award, der ANGA COM und einer weiteren „MIP“, dieses Mal zum breit diskutierten Thema Nachhaltigkeit.
Wird künftig alles IP? Diese für die Medienbranche zentrale Frage beleuchtete die TV-Plattform im Rahmen der 6. Ausgabe ihrer beliebten Event-Serie Media Innovation Platform (kurz: „MIP“). Und gemeinsam mit dem ZVEI wurde der Marktreport Branchenkompass CE aufgesetzt.
.
Nach acht Jahren an der Spitze der Organisation verabschiedete sich Andre Prahl (RTL Deutschland) und übergab den „Staffelstab“ an Nicole Agudo Berbel (Seven.One Entertainment Group), die zur neuen Vorsitzenden des Vorstands gewählt wurde.